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Am 18.3.2010 hat sich der BGH mit der Frage beschäftigt, wie es mit der Haftung als “Störer” bewenden soll, wenn man ein frei zugängliches WLAN betreibt und darüber Dritte - ggfs. sogar gegen oder ohne den Willen des Betreibers - Rechtsbrüche begehen, etwa eine Urheberrechtsverletzung mittels Filesharing.

Hinweis: Der BGH wird am 12.5.2010 entscheiden - .

Update: Achtung - dieser Artikel entstand, als davon auszugehen war, dass es sich um ein offenes WLAN handelt. In Wahrheit verhandelt der BGH aber über ein verschlüsseltes WLAN, was weitere Probleme aufwirft - meine Kurzmeldung dazu hier.

Als ich auf den , habe ich deutlich gesagt:

Die Entscheidung dürfte mit Spannung von der Fachwelt erwartet werden, eine Prognose verbietet sich meines Erachtens gänzlich.

Nachdem nun am 18.3. der BGH nicht entschieden hat, sondern vielmehr im Mai 2010 erst mit der Entscheidung gerechnet werden darf, reicht der Presse diese Einschätzung natürlich nicht. Insofern finden Laien inzwischen eine Fülle von Berichten, die inhaltlich von fragwürdig bis hochgradig falsch reichen.

Die Zeit etwa titelt “BGH macht WLAN-Hotspots wohl dicht” und sorgt mit diesem Satz für Befremden:

Allerdings ließen das Plädoyer der Staatsanwaltschaft und die Äußerungen des Vorsitzenden Richters erkennen, dass es für offene Hot-Spots eng werden könnte.

Wie sich die Staatsanwaltschaft in einem zivilrechtlichen Verfahren äußert, ja gar ein Plädoyer hält, bleibt an dieser Stelle das alleinige Geheimnis der Presse.

Auch steht nicht zur Debatte, dass es für WLAN-Zugänge “eng wird”, viele Laien titeln schon - etwa bei Twitter - “Offenes WLAN betreiben darf kein Verbrechen sein”, das ist hier ausdrücklich nicht das Thema. Jeder kann ein offenes WLAN betreiben, auch nach dem BGH-Urteil. Man muss sich aber eben im Klaren sein, dass man (als so genannter Störer) für Rechtsverletzungen mitunter einstehen muss.

Diejenigen, die nun glauben, dies würde zumindest mittelbar zum Untergang der freien WLAN führen, haben Unrecht: Zum einen kann man zwar ein WLAN offen lassen, aber z.B. nur die Ports 80, 143 (ggfs. noch 53 für DNS) öffnen, damit nur HTTP und Mail-Verbindungen möglich sind. Weiterhin kann man andenken, zumindest für externe Benutzer den WLAN-Zugang so zu konfigurieren, dass die Internetverbindung nur über eine Anonymizer-Proxy zustande kommt.

In der BGH-Verhandlung wurde deutlich, dass der BGH die Störerhaftung an sich nicht in Frage stellen wird, es ist damit zu rechnen, dass es vielleicht schärfere Konturen gibt, aber keinen Freifahrtschein. Dabei wäre für mich schon fraglich, ob dieser Freifahrtschein überhaupt nötig ist oder unserem Rechtssystem angemessen ist - gerade da diejenigen, für die Anonymität existentiell ist, ohnehin mit Proxies oder TOR arbeiten müssen. Insoweit sehe ich die Störerhaftung in diesem konkreten Fall nicht derart kritisch, wie es von Laien zur Zeit vertreten wird, bei denen häufig offensichtlich ist, dass man auf Grund von Fehlinformationen glaubt, es geht hier um die Erlaubnis offener WLAN.

Auch hat diese konkrete Frage nichts damit zu tun, dass die Idee der “Störerhaftung” - die ursprünglich aus dem Sachenrecht des römischen Rechts stammt - vielleicht in der bisherigen Stringenz nicht auf digitale Fragen angewendet werden darf. Speziell wenn man an heute wichtige Elemente unserer Kommunikationskultur, wie Foren und Blogs denkt, wo die Störerhaftung der Betreiber (bei externen Kommentaren) gleich das ganze Medium gefährden, muss diese Frage gestellt werden. Doch: Auch das hat mit dem Thema hier nichts zu tun.

Kritischer ist dagegen die Frage, wie man nun als Familie damit umgeht, speziell als Anschlussinhaber, der sich die Frage stellen muss, was nun bei Rechtsbrüchen der eigenen Kinder geschieht. Hier tendiert die Rechtsprechung in der Tat, teilweise sehr unreflektiert, dazu Familien zu einer Generalüberwachung der Kinder zu verdonnern. Das ist nicht nur nicht angemessen und steht im Gegensatz zum Wunsch der meisten Eltern, selbstständige Charakter heran zu ziehen. Auch stellt sich natürlich die Frage inwieweit eine derartige mitunter umfassende Überwachung mit den Vorgaben des Grundgesetzes (Erziehungsrecht der Eltern sowie Persönlichkeitsrecht der Kinder) vereinbar ist.

An dieser Stelle bietet es sich an, den § I Satz 2 BGB als Korrektiv der Störerhaftung heran zu ziehen. Die hier geregelte Aufsichtspflicht der Eltern wird nämlich eingeschränkt mit den Worten:

Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.

Die nur analog angewendete Störerhaftung wird hier m.E. eindeutig durch die ausdrücklich vom Gesetzgeber gewollte Privilegierung Aufsichtspflichtiger eingeschränkt. Die Gerichte sind auf diesen Aspekt bisher aber noch nicht gestossen und haben somit noch nicht die umfangreiche Rechtsprechung zur Aufsichtspflicht (etwa im Straßenverkehr) heran gezogen, die durchaus Freiräume selbstständiger Betätigung von Kindern vorsieht. Es bleibt die Hoffnung, dass dies eines Tages geschieht.

Am Rande der Hinweis, dass das Schwarz-Surfen und die Störerhaftung bei WLAN zwei Seiten der gleichen Medaille sind:

  1. Die Störerhaftung stellt die Frage, inwieweit der Betreiber zivilrechtlich für Rechtsverletzungen der Nutzer einzustehen hat
  2. Beim Schwarz-Surfen wird gefragt, ob sich der strafbar macht, der sich gegen/ohne den Willen des Betreibers in ein WLAN einloggt

Dabei noch einmal die Erinnerung, dass auch Ermittlungsverfahren wegen Schwarz-Surfens eröffnet wurden, bei denen der WLAN-Betreiber gar nicht bekannt war, man also gar nicht wusste, dass gegen den Willen ein WLAN genutzt wurde. Momentan stellt sich daher die Frage, wie man überhaupt ein WLAN offen betreiben möchte und dabei sicherstellen kann, dass andere die es nutzen, nicht von der Polizei aufgegriffen werden. Dazu auch auf die Schnelle die FAQ zum Schwarz-Surfen.

Zur Vertiefung der Rechtsfragen nach aktueller Lage kann ich nur empfehlen, meine bisherige Zusammenfassung zur Störerhaftung bei offenem WLAN bzw. Internetanschluss zu lesen, zu finden hier.

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