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Zusammen mit der Frage des “Schwarz-Surfens” stellt sich die Frage der Haftung des Anschlussinhabers eines Internetzugangs wenn Dritte (also nicht der Anschlussinhaber selber) über dessen Anschluss Rechtsverletzungen begehen. Besonders beliebt sind hier zwei Fragen, die ich auf dieser Seite aufgreife:

  • Ob der Betreiber, etwa wenn er ein offenes WLAN betreibt, für (durch Dritte) angebotene und “getauschte”, durch Urheberrecht geschützte, Materialien haften soll - und wie das für Internet-Cafés aussieht
  • Wie sich die Haftung bei Rechtsverletzungen durch Familienangehörige gestaltet

Im Folgenden eine Liste mit Fundstellen zum Thema Haftung des Anschlussinhabers, dabei habe ich die OLG-Entscheidungen im Volltext aufgenommen.

Zuerst Urteile, die die Haftung bejahen:

  • LG Mannheim - 2006 - (AZ )
  • LG Hamburg - 2006 - (AZ )
  • LG Mannheim - 2006 - (AZ )
  • LG Hamburg - 2006 - (AZ )
  • OLG Düsseldorf - 2007 - (AZ I-) [Lesen]
  • OLG Frankfurt a.M. - 2007 - (AZ 2-) [Lesen]
  • LG Mannheim - 2007 - (AZ )
  • LG Frankfurt a. M. - 2007 - (AZ 2-) - aufgehoben durch OLG Frankfurt a.M. (AZ )
  • LG Düsseldorf - 2008 - (AZ )
  • LG Düsseldorf - 2008 - (AZ )
  • LG Düsseldorf - 2008 - (AZ )
  • LG Düsseldorf - 2009 - (AZ )
  • LG Düsseldorf - 2009 - (AZ )
  • LG Frankenthal - 2008 - (AZ )
  • AG Frankfurt a.M. ( - 81 und - 84)
  • LG Köln - 2009 - (AZ )
  • LG Hamburg - 2009 - (AZ )
  • OLG Köln - 2009 - (AZ ) [Lesen]
  • OLG Düsseldorf - 2009 - (I-) [Lesen]
  • LG Köln - 2010 - ()
  • LG Magdeburg - 2010 - ()
  • LG Köln - 2010 - ()
  • LG Hamburg - 2010 - ()
  • BGH - 2010 - (1 ZR 121/08) - Besprechung hier

Nun Urteile, die eine pauschale Haftung ablehnen:

  • OLG Frankfurt a.M. - 2008 - (AZ ) [Lesen]
  • OLG Frankfurt a.M. - 2007 - (AZ ) [Lesen]
  • LG Mannheim, 29.09.2006 - Az.
  • LG Mannheim, 30.1.2007 - Az.
  • LG Hamburg, 21.04.2006 - Az.:
  • LG Hamburg, 25.01.2006 - Az.:

Zum Thema Haftung eines WLAN-Betreibers bei Rechtsverletzungen durch Dritte:
Sie sollten sich im Klaren sein, dass auch wenn mehrere Ihr WLAN (erlaubt oder unerlaubt) nutzen, letztendlich der Anschlussinhaber zählt - Ihr Anschluss erhält eine IP im Netz. Gleich welcher Nutzer etwas unternimmt, am Ende wird es (erstmal) Ihrem Anschluss zugeordnet. Dabei wird die Beweislast, dass sie letztlich doch nicht dafür haften, zu ihnen verschoben (siehe nur LG Hamburg, ).

Wie lange diese IP heute beim Provider aufbewahrt wird und im Nachhinein ihrem Anschluss zugeordnet werden kann, ist zur Zeit reines Glückspiel. Vertrauen Sie auf keinen Fall darauf, dass nach kürzerer Zeit eine Zuordnung unmöglich ist. Vielmehr gibt es vermehrt hinweise, die darauf deuten, dass gelegentlich bei manchem Provider auf die Daten der Vorratsdatenspeicherung zurückgegriffen wird, was eine 6-Monatige Rückverfolgbarkeit eröffnet.

Die Zuordnung von Anschluss(-Inhaber) zum konkreten Nutzer kann mitunter am Ende schwierig sein - wenn dann ein Nutzer nicht eindeutig ermittelt werden kann, steht der Anschlussinhaber im Mittelpunkt. Dies auch dann, wenn es nahe liegt, dass sich jemand in das WLAN unerlaubt begeben hat. Wer gar ein unverschlüsseltes WLAN nutzt, ohne Sicherheitssperren, der kommt aus der Haftung als Störer nicht mehr raus.
Doch auch die Verschlüsselung eines Netzes mit Zugangspasswort wird am Ende nicht jeder Prüfung standhalten: Aufgrund aktueller Entwicklungen dürfte der WEP Standard schon mit einem unverschlüsseltem Netz gleich zu setzen sein (Dazu nur “WEP in unter einer Minute gehackt”).

Ich ziehe in der Gesamtschau der bisherigen Urteile zum Thema folgende Schlussfolgerungen hinsichtlich dessen, was man vor Gericht vorbringen können sollte, um die Haftung für ungenehmigte Handlungen Dritter über das eigene WLAN zu minimieren:

  • Man sollte sein WLAN mit einem Zugangscode sichern, und darauf achten, unbedingt via WPA2 und nicht WEP zu sichern,
  • als Passwort sollte man keine gebräuchlichen Worte oder gar seinen Namen nutzen. Am besten Textzeichen und Zahlen kombinieren, in verschiedener Groß-/Kleinschreibung,
  • zusätzlich sollte man die Möglichkeit moderner Router nutzen und nur bestimmte MAC-Adressen auf den Router zugreifen lassen,
  • sofern der Router einen Admin-Bereich hat, der Passwort geschützt ist, sollte dieser mit einem individuellen Passwort versehen werden,
  • wenn man kurzzeitig Dritten Zugriff geben möchte, sollte man temporäre Zugänge schaffen, etwa mit “Radius
  • abschließend der Hinweis, dass man das Broadcasting der SSID abschalten sollte

Immer wieder fraglich ist es, wie es bei Internet-Cafés aussehen soll, die zum Kaffee noch einen WLAN-Zugang bereit halten, um Kunden “anzulocken”. Hier ist die Rechtslage m.E. noch nicht klar, auch wenn erste Cafés den Schritt gehen, und nach Abmahnungen ihre Zugänge abschalten. Insbesondere ist auch nach der bekannten BGH-Entscheidung (“Sommer unseres Lebens”) diese Frage weiterhin offen.
Denn der BGH hatte in einer früheren Entscheidung (, 251) die Störerhaftung dann eingeschränkt, wenn ein Geschäftsmodell bedroht wird. Bei einer Privat-Person wird das zwar nicht der Fall sein, insofern verneint der BGH in der Entscheidung “Sommer unseres Lebens” diese Konstellation auch zu Recht. Zugleich wird aber deutlich, dass der BGH keinesfalls diese Rechtsprechung insgesamt nicht übertragen würde, sondern vielmehr wurde von ihm ausdrücklich festgehalten, dass sie in der letzten Entscheidung keine Anwendung finden konnte, weil ein privater Verwender gehandelt hat.

Insofern ist vollkommen offen (aber eben leider nur offen!), ob der BGH im Falle eines Cafes, das mit einem offenen WLAN Kunden “anlockt” die Sache anders beurteilen würde. Die Chancen sind m.E. gut, aber: Man wird sich vor Gericht darum streiten müssen - bei entsprechendem Prozesskostenrisiko.

Störerhaftung und Rechtsverletzungen durch Familienangehörige, speziell Kinder, im eigenen Haushalt
Bezüglich der erlaubten Nutzung des Internetzugangs durch andere scheint die Rechtsprechung auf jeden Fall bei Familienangehörigen zu differenzieren: Sofern es sich um Minderjährige eigene Kinder handelt wird mitunter eine Haftung bejaht, jedenfalls sollte eine “Belehrung” stattfinden.

Dabei geht das LG Köln aktuell soweit (, ) in den “Grenzen des Zumutbaren” wirksame Vorkehrungen zu treffen, damit die eigenen Kinder keine Rechtsverletzungen begehen, hierzu soll die Einrichtung einer Firewall gehören die so konfiguriert ist, dass Downloads nicht möglich sind. Weiterhin sollen Benutzerkonten mit eingeschränkten Rechten vorhanden und den Kindern zugewiesen sein. Ähnlich nun auch das LG Düsseldorf ( sowie ) sowie das OLG Köln (), die ebenfalls “Sicherungsmaßnahmen” seitens des Sorgeberechtigten vorsehen.

Anders wird es in Frankfurt gesehen (Aktuell das AG Frankfurt am 17.09.2009, AZ: -10 unter Heranziehung des LG Frankfurt in MMR 2007, S.804ff), wo man eine einfache Belehrung des Minderjährigen durch die Eltern jedenfalls dann als ausreichend betrachtet, wenn das Kind selber Gefahr läuft, sich strafbar zu machen - und auch belangt zu werden. Dies wäre bei zumindest 14 Jährigen Kindern der Fall.

Wenn es sich aber um volljährige Kinder oder gar den Ehepartner handelt, wird eine solche Haftung des Anschlussinhabers abgelehnt. Dies aktuell sogar für 16Jährige Kinder (OLG München, ). Jedenfalls sofern es für den Anschlussinhaber keinen konkreten Anlass gibt, darüber nachzudenken, ob das entsprechende Familienmitglied den Zugang zu rechtsmissbräuchlichem Verhalten nutzt, denn dann treffen den Anschlussinhaber Überwachungspflichten die bis zur Sperrung der Nutzung gehen können. Dies geht unter anderem aus diesen älteren Urteilen hervor:

  1. LG Mannheim, 29.09.2006 - Az.
  2. LG Mannheim, 30.1.2007 - Az.
  3. LG Hamburg, 21.04.2006 - Az.:
  4. LG Hamburg, 25.01.2006 - Az.:
  5. OLG Frankfurt a.M., 20.12.2007 - Az.:

Wichtig ist dabei, dass die Überwachungspflichten innerhalb des “familären Verbundes” im Regelfall erst bei einem Verdacht eintreten (anders im Jahr 2009 OLG Köln, LG Köln und LG Düsseldorf, siehe oben) - vorher sind sie im Regelfall unzumutbar. Insofern soll es ausreichen, den Mitbenutzer des Anschlusses zu instruieren, diesen auf keinen Fall für rechtswidrige Handlungen zu benutzen (AG Frankfurt a.M., -25).

Anders sieht dies aktuell das Landgericht Magdeburg (), dass die Haftung des Vaters für einen Volljährigen Sohn bejaht hat - der Vater sollte Sicherungsvorkehrungen (wie eine Firewall) einrichten. Generell sollten Kinder entsprechend der Nutzung des Internet ausreichend belehrt und eingewiesen werden. Jedenfalls wenn man Dritten einen solchen Zugang ermöglicht, unterliegt man aber immer Überwachungspflichten. Dabei sind Freunde eigener Kinder, die zu Besuch kommen, ebenfalls Dritte.

Die Frage, wie man nun als Familie damit umgeht, speziell als Anschlussinhaber, der sich die Frage stellen muss, was nun bei Rechtsbrüchen der eigenen Kinder geschieht, muss kritisch gesehen werden. Hier tendiert die Rechtsprechung in der Tat, teilweise sehr unreflektiert, dazu, Familien zu einer Generalüberwachung der Kinder zu verdonnern. Das ist nicht nur nicht angemessen und steht im Gegensatz zum Wunsch der meisten Eltern, selbstständige Charakter heran zu ziehen. Auch stellt sich natürlich die Frage inwieweit eine derartige mitunter umfassende Überwachung mit den Vorgaben des Grundgesetzes (Erziehungsrecht der Eltern sowie Persönlichkeitsrecht der Kinder) vereinbar ist.

An dieser Stelle bietet es sich an, den § I Satz 2 BGB als Korrektiv der Störerhaftung heran zu ziehen. Die hier geregelte Aufsichtspflicht der Eltern wird nämlich eingeschränkt mit den Worten:

Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.

Die nur analog angewendete Störerhaftung wird hier m.E. eindeutig durch die ausdrücklich vom Gesetzgeber gewollte Privilegierung Aufsichtspflichtiger eingeschränkt. Die Gerichte sind auf diesen Aspekt bisher aber noch nicht gestossen und haben somit noch nicht die umfangreiche Rechtsprechung zur Aufsichtspflicht (etwa im Straßenverkehr) heran gezogen, die durchaus Freiräume selbstständiger Betätigung von Kindern vorsieht. Es bleibt die Hoffnung, dass dies eines Tages geschieht.

Letztlich aber sind die obigen Absätze nur grobe Einschätzungen, aufgrund der vollkommen unterschiedlichen Rechtsprechung ist es nahezu unmöglich, ernsthafte Ratschläge zu geben die einen generellen Anspruch auf Richtigkeit erheben können. Gleich wie man zu der Rechtsprechung steht, muss gesehen werden, dass die privilegierende Rechtsprechung (vor allem aus Frankfurt) die Minderheit darstellt und letztlich doch sehr hohe Anforderungen an Eltern, bis hin zur vollkommenen technischen Sperre, gestellt werden. Dies mag man als Elternteil sehr kritisch und als Eingriff in das Erziehungsrecht sehen, gleichwohl muss man realistisch auf die Risiken blicken, die sich damit für einen Prozess (und die Kosten) ergeben.

Ein interessanter Weg, der jedenfalls helfen kann in der Familie das Thema offen anzusprechen, ist der “Familienvertrag”, hier zu finden. Sicherlich kann es helfen, bei den eigenen Kindern ein Bewusstsein zu schaffen - inwiefern es hilft, vor Gericht die mitunter geforderte Belehrung zu belegen, wird sich aber noch zeigen müssen.