Bei Telepolis ist ein vielbeachteter Artikel erschienen mit dem Titel “Grundrecht auf Freifunken: Warum der BGH offenes WLAN nicht verbieten kann“. Der sehr gut geschriebene und fundierte Artikel ist absolut lesenswert und führt zu zustimmenden Reaktionen unter anderem bei:
Dennoch, so sehr ich das Ergebnis von Garcia auf Telepolis auch begrüße: Es ist für mich nur eine Nebelkerze. An erster Stelle ist dabei für mich festzustellen, dass der BGH nicht darüber entscheiden wird, ob ein WLAN per se offen oder geschlossen ist, sondern darüber, ob und welche Pflichten den Betreiber eines solchen Netzwerkes treffen. Dabei sollte es, zumindest den erwachsenen Lesern, keine neue Erkenntnis sein, dass gesellschaftlicher Friesen nicht zuletzt von Freiheiten alleine, sondern auch von den mit Freiheiten einhergehenden Pflichten bestimmt wird.
Das, was Garcia in letzter Konsequenz vorschlägt, ist ein Gesetzespositivismus: Frei ist man erst einmal in allem, Einschränkungen darf es wenn, dann nur durch Gesetz geben. Der Rechtsprechung ist es verwehrt, eine Rechtsfortbildung zu betreiben, der Gesetzgeber muss wenn, dann im letzten Detail beschreiben, wo begrenzt wird. Damit erreichen wir den Stand von vor gut 300 Jahren als Montesquieu meinte
Der Richter ist nur der “Mund des Gesetzes”
Diese Phase des Rechts haben wir aber - zum Glück wohlgemerkt - 1949 verlassen. Seitdem liest man regelmäßig in Gesetzesbegründungen, dass der Gesetzgeber gerade auf ausdrückliche (manchmal sogar wünschenswerte) Klarstellungen verzichtet, um Rechtsprechung und Wissenschaft die weitere Entwicklung zu überlassen. Das Ergebnis ist ein Rechtssystem, das gerade nicht starr und von einer politischen Elite errichtet ist, sondern flexibel und dem konkreten Einzelfall angepasst. Diejenigen, die das nicht überzeugt, sollten spätestens dann überzeugt sein, wenn sie darüber nachdenken, welchen Weg der vom Lobbyismus geprägte Gesetzgeber in dieser Frage einschlagen würde.
Ich hatte es in der Vergangenheit schon angedeutet, möchte hier aber deutlicher werden: Freiheiten verlangen auch Verantwortung, das ist der Unterschied zwischen einer geordneten freiheitlichen Gesellschaft und einer theoretischen Freiheit, in der nur der stärkere sein Recht letztlich wahrnehmen kann. Die hier laufende Diskussion ist für mich letztlich eine Luxus-Diskussion, denn diejenigen die hier ein vermeintliches Grundrecht auf Anonymität gefährdet sehen, sagen m.E. nicht die Wahrheit: gefährdet ist nur der Luxus, möglichst schnell das Internet nutzen zu können.
Es ist technisch, und darauf habe ich schon mehrfach hingewiesen, absolut kein Problem, einen Router so zu konfigurieren, dass er nach außen hin offen ist, die Internetverbindung aber nur über ein Zwiebelnetz anbietet. Der Betreiber geht damit zur Zeit kein ernsthaftes Risiko ein, wer seinen Zugang nutzt, bewegt sich so anonym im Netz wie es nur geht. Der Preis den man hier zahlt: Eine, um es nett auszudrücken, langsame Internetverbindung. Es zeigt sich: Die Anonymität ist möglich. Offene WLAN auch und ich sehe nirgendwo beim BGH einen Ansatz, in dem es darum geht, dass ein offenes Netz im Grunde verboten wird.
Bemerkenswert ist, dass seitdem ich diese Ansicht vertrete, mit regelmäßig per Mail und in Foren entgegengehalten wird, dass die Netzverbindung dann ja “viel zu langsam sei”. Es ist schön, dass man zumindest in letzter Konsequenz dann doch ehrlich ist, worüber man hier eigentlich streitet. Daher mein Rat an dieser Stelle: Diskutiert nicht über Nebelkerzen und juristische Fragen, die sich heute nicht mehr stellen. Arbeitet lieber daran, dass Zwiebelnetz auszubauen um endlich vernünftige Verbindungsgeschwindigkeiten, jenseits der 5kbps zu erreichen.
Hinweis: Dieser Kommentar ist losgelöst von der Tatsache zu sehen, dass die Rechtsprechung die Störerhaftung vollkommen über Gebühr ausdehnt und unangemessen dem modernen digitalen Alltag über stülpt. Hier wären beide, Gesetzgeber und Rechtsprechung, in der Lage und in der Pflicht, sich endlich zu bewegen. Insofern ist die Frage von Garcia nach der Gefahr die richtige Frage und gehört weiter vertieft. Problematisch ist dagegen der Hinweis auf die angeblich rechtlich vorgeschriebene Anonymität (hier speziell § TMG), da Garcia an dieser Stelle die Diskussion ausblendet, ob IP-Adressen davon nun mal erfasst sind oder nicht.