Onlinepetition für offene WLAN - Ich bin dagegen

Heute las man von einer Petition die beim Bundestag vorliegt und dafür wirbt, rechtsfragen offener WLAN gesetzlich zu regeln (dazu nur Gulli & Golem). Die Petition ist in der Intention sicherlich gut gemeint - letztlich aber, wie so oft, das Gegenteil von gut gemacht. Ich bin dagegen und möchte hier erläutern warum.

Zum einen ist der Text aus juristischer Sicht schlicht falsch. Schon der Anfang

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, mittels eindeutiger Rechtsnorm den Betrieb von ungeschützten unentgeltlichen Zugängen zu kabellosen Netzwerken (nachfolgend WLAN) zu erlauben und damit private Internetzugänge Dritten zur Verfügung zu stellen.

ist nonsens, denn erlaubt ist es schon jetzt. Auch die Begründung ist falsch, wenn dort etwa steht:

Derzeit ist der Betreiber eines WLAN auf Grund der Rechtsprechung verpflichtet, sein Netzwerk mit der verfügbaren Technik gegen Zugriffe Dritter zu sichern. Obwohl dem Gesetzgeber bekannt ist, dass die Verschlüsselungsmethoden erfolgreich angegriffen wurden, droht dem Besitzer eines WLAN-Zugangspunkt ggf. Repressionen zivil- oder strafrechtlicher Natur, wenn er auf eine Verschlüsselung verzichtet und sein WLAN im Sinne einer sozial gerechten Gesellschaft teilt.

Auch falsch - und wenn danach vom “Mitstörer” gesprochen wird, wird es nicht richtiger: Niemand muss Konsequenzen befürchten, nur weil er ein offenes WLAN betreibt. Konsequenzen sind erst dann zu befürchten, wenn über das WLAN “Schindluder” getrieben wird. Und dass ich auf diese Unterscheidung Wert lege ist nicht kleinkariert, sondern gerade der Knackpunkt bei dem Thema.

Man muss sich bei dem Thema immer vergegenwärtigen, worum es genau geht: Es geht um die Frage der Verantwortung, wenn - ggfs. auch sehenden Auges - ein Rechtsbruch über einen Internetanschluss durch einen Dritten begangen wird. Solange kein Rechtsbruch vorliegt, liegt auch kein Problem vor - das muss man sich immer klar machen. Und wer in diesem Bereich Verbesserungen erreichen möchte, der muss sich dieses Problems auch im Klaren sein. Dazu gehört auch die Courage, mit deutlichen Worten zu formulieren, dass man notfalls gewillt ist, Rechtsbrüche ohne ernsthafte Verfolgung in diesem Bereich in Kauf zu nehmen. Diese Petition hat diesen Mut nicht, sondern redet vielmehr derart um den heissen Brei herum, dass am Ende fälschlich erklärt wird, man dürfe gar nicht erst ein freies WLAN betreiben.

Wenn man sich dann das eigentliche Problem vor Augen hält, nämlich die “Quasi-Haftung” für Rechtsbrüche durch Dritte, liegt auf der Hand, dass ein “WLAN” nur ein Teil des Themas ist. Ob WLAN oder nicht: Das Problem existiert genauso, wenn Kinder den Anschluss der Eltern nutzen. Ich betrachte, gerade mit Blick auf den Erziehungsauftrag der Eltern, dieses Problem eher als ein noch grösseres als die Frage, ob ein Nachbar ein offenes WLAN mangels DSL-Zugang nutzen kann. Jedenfalls bin ich vor dem Hintergrund nicht bereit, der WLAN-Thematik eine derart eigenständige Bedeutung zu geben: Die Störerhaftung ist ein grundsätzliches Problem bei allen Themen mit Internet-Berührung und sollte auch nur so thematisiert werden. Sich auf WLAN zu konzentrieren verharmlost das Gesamtproblem m.E. nur.

Wovor ich warne, ist nach Patentlösungen zu suchen: Wenn man sich einmal ehrlich vor Augen führt worum es hier geht - nämlich die Frage nach Verantwortung - wird es schwer, eine Lösung zu finden, mit der möglichst alle zufrieden sind.
Man könnte z.B. Umstände definieren, unter denen ein Anschlussinhaber ein Haftungsprivileg ähnlich einem Access-Provider erfährt. Wenn man dann niemanden hinterher “zur Verantwortung ziehen kann”, wird es viele Unzufriedene geben. Die wird es aber auch geben, wenn man zur Feststellung des Privilegs verlangt, alle Endanwender eindeutig identifizieren zu können. Und genauso werden viele Unzufrieden sein, wenn man die bisherige Störerhaftung beibehält. Gleich was man sich überlegt: Man wird nicht nur Freunde hinterher haben.

Ich selbst tendiere dazu, zumindest in Familien das Unwort des “rechtsfreien Raums” in engen Grenzen zu tolerieren: Wenn Eltern ein zu definierendes Maß an Schutzmaßnahmen ergreifen, muss eine kontrolllose Nutzung des Netzes durch die Kinder möglich sein - nur so kann der Erziehungsauftrag entsprechend dem Rechtsgedanken des Netzes umgesetzt werden. Juristisch ist es vollkommen üblich, dass Kinder nur bei Einsicht für ihre Taten einstehen (§ III BGB), es ist ein Fehler, dass das nicht endlich nahtlos aufs Internet angewendet wird.

Mit Blick auf die gefürchteten Filesharing-Abmahnungen habe ich bereits letztes Jahr einen Vorschlag für einen neuen § III UrhG eingereicht, der in den ersten Bundestagsfraktionen bereits wohlwollend diskutiert wurde. Ich greife die von den Rechteinhabern selbst immer wieder angeführte “Warnschusstheorie” auf und schlage als Wortlaut vor:

Im Fall einer erstmaligen Abmahnung gegenüber einem Verbraucher gilt mit Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung durch diesen die Wiederholungsgefahr für sämtliche, bis zum Zeitpunkt der Abgabe, begangenen gleichartigen Verletzungshandlungen als beseitigt.

Damit würde eine erste Abmahnung einem “Warnschuss” gleichkommen, ab dem man sein Verhalten bzw. sein Kontrollmaßnahmen anpassen kann. Die Zeit sofortiger Mehrfachabmahnungen wäre damit vorbei - zugleich aber, wenn man sein Verhalten nicht anpasst, ist man bei weiteren Verstössen der Gefahr von Mehrfachabmahnungen ausgesetzt.

Darüber hinaus kann man andenken, die Kostendeckelung des § II UrhG praxisgerechter auszugestalten, so dass sie endlich nicht mehr nur auf dem Papier existiert.

Ich hoffe, damit folgende Punkte gezeigt zu haben:

  1. Dass man sich zum einen entscheiden muss, ob man eine Haftung in irgendeiner Form bei Rechtsverstössen ablehnen möchte. Auf keinen Fall darf ausgeblendet werden, dass es hier um die Frage von Rechtsverstössen geht.
  2. Dass das Problem nicht nur auf WLAN begrenzt existiert, sondern als ganzheitliches Thema wahrgenommen werden muss.
  3. Dass man Lösungsansätze am Ende wahrscheinlich nicht in einer einzelnen Maßnahme finden wird, sondern nur in Paketen, die an mehreren Stellen ansetzen. Ob die oben kurz angesprochenen Gedanken die goldene Lösung sind, muss bezweifelt werden - ich möchte sie daher nur als gedanklichen Anstoss für weitere Diskussionen verstanden wissen.

Ein Gedanke zu “Onlinepetition für offene WLAN - Ich bin dagegen

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